Bekommt die Pflege in Bayern endlich eine echte Selbstverwaltung? Landespflegerat und Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft sehen im gemeinsamen Eckpunktepapier des Reformausschusses einen ersten Schritt

München 30. März 2023 – Der Bayerische Landespflegerat (BLPR), die Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft und die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) beteiligen sich auf Einladung von Klaus Holetschek, Bayerns Staatsminister für Gesundheit und Pflege, an einem Ausschuss zur Reform der VdPB, der jetzt ein gemeinsames Eckpunktepapier vorgelegt hat.

Die Vorsitzende des Bayerischen Landespflegerats, Generaloberin Edith Dürr, erklärt hierzu: „Wir sehen es als wichtiges und richtiges Signal, dass Staatsminister Klaus Holetschek die Selbstverwaltung der Profession Pflege in Bayern erneut auf die Agenda gesetzt hat.“

Grundlage bildet das vom Gesundheits- und Pflegeministerium (StMGP) in Auftrag gegebene Gutachten von Kienbaum Consultants zur Evaluation der VdPB vom Mai 2022. Die Gutachter konstatieren darin eine zu geringe Wirksamkeit der bestehenden Organisation. Wenig überrascht zeigt sich die Vorsitzende des BLPR von diesem Ergebnis: „Auf den notwendigen Veränderungsbedarf haben wir seit der Gründung der VdPB in aller Deutlichkeit hingewiesen. Das Pflegendenvereinigungsgesetz (PfleVG) wurde 2017 gegen den Rat des BLPR und der Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft durchgesetzt und damit ein Sonderweg beschritten.“ Hauptkritikpunkt des Gutachtens ist u. a. die fehlende bundesweite Anschlussfähigkeit an bestehende Selbstverwaltungsorganisationen der Profession Pflege.

Unter Mitwirkung der Berufsverbände im BLPR, der Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft und der VdPB ist mit dem Anstoß des Reformprozesses ein erster Schritt getan. Das nun vorliegende Eckpunktepapier ist ein Kompromiss im intensiven Ringen um eine zukunftsfähige Lösung. Generaloberin Dürr, Vorsitzende des BLPR, erklärt weiter: „Angesichts der besorgniserregenden Situation im Pflegeberuf können wir uns eine Organisation mit geringer Wirkkraft schlichtweg nicht leisten. Hier braucht es den erklärten politischen Willen, den Weg für eine echte, starke und unabhängige Selbstverwaltungsstruktur für die professionelle Pflege in Bayern frei zu machen.“

Das Signal aus der berufsverbandlichen und pflegewissenschaftlichen Vertretung der Pflege ist mehr als deutlich: Die Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft in Bayern und der BLPR sprechen sich für eine anschlussfähige und unabhängige Selbstverwaltung der professionell Pflegenden mit – perspektivisch – verpflichtender Mitgliedschaft und unabhängiger Finanzierung aus und werden die weiteren Veränderungsschritte über den Reformausschuss aktiv und konstruktiv begleiten. Laut Eckpunktepapier berät der unabhängige Reformausschusses den Bayerischen Landtag und die Bayerische Staatsregierung im Rahmen der empfohlenen Novellierung des PfleVG. Daran anschließend wird eine strukturelle Verankerung als Gesetzesnovellierungskommission dringend empfohlen.

Abschließend appelliert Generaloberin Dürr an die politisch Verantwortlichen: „Berufsständische Selbstverwaltung ist ein elementarer Baustein von Professionalisierung. Bayern möchte ein Land für fortschrittliche Pflegepolitik sein. Nehmen Sie die Empfehlungen zur Reform des Pflegendenvereinigungsgesetzes auf, stellen Sie jetzt die richtigen Weichen zur Stärkung der Rolle professioneller Pflege im Feld der Akteure im Gesundheitswesen.“

Pflegefachverbände und Expert:innen sind sich einig: Kompetenzerweiterung und Rahmenbedingungen sind die Stellschrauben für die Fachkräftesicherung heute und in der Zukunft

München, 1. Februar 2023 – Bei der virtuellen Jahresakademie des Bayerischen Landespflegerats (BLPR) unter dem Motto „Gesundheit(s)-Beruf-Pflege“ warnten die Expert:innen vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems aufgrund des Fachkräftemangels. Sie fordern eine rasche Neuausrichtung der Pflege durch Kompetenzerweiterung und unter besseren Rahmenbedingungen.

Generaloberin Edith Dürr, Vorsitzende des BLPR und der Schwesternschaft München vom BRK e.V., begrüßte vorgestern nahezu 400 Teilnehmende und skizzierte in ihrer berufspolitischen Rede die ernstzunehmende Situation der Pflegeberufe: „Professionell Pflegende sind nicht mehr bereit, um jeden Preis und unter jeglicher Bedingung ein marodes Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten ohne realistische Perspektive auf Verbesserungen.“ Ohne längst überfällige Reformen und eine berufsständische Selbstverwaltung befürchtet sie, dass die aktuell im Berufsleben stehenden Kolleg:innen in der Pflege sprichwörtlich die „letzte Generation“ darstellen.

Diese Befürchtung teilte auch Prof. Dr. Karin Kersting in ihrem Vortrag zum sogenannten Coolout in der Pflege, einem Prozess der moralischen Desensibilisierung. Die Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen am Rhein beleuchtete das Spannungsfeld zwischen fachlich-moralischem Anspruch und Realität der Gesundheitsberufe. Kirstin Ruttmann vom Universitätsklinikum Regensburg berichtete im anschließenden Vortrag über Ressourcen für die Förderung der psychischen Gesundheit des Gesundheitsfachpersonals und identifizierte erfolgreiche interprofessionelle Zusammenarbeit als wichtigen Faktor. Prof. Dr. Constanze Giese verwies auf das gesellschaftliche Mandat der Pflege – ein Auftrag und professionsethischer Anspruch, der aufgrund der unsicheren sozialen und wirtschaftlich ungerechten Arbeitsbedingungen nicht erfüllt werden kann. „Bewahren Sie Professionalität und Respektabilität statt Ihre berufliche Identität und Integrität aufzugeben“, forderte die Professorin der Katholischen Stiftungsfachhochschule München die Teilnehmenden auf. Prof. Dr. Melanie Messer befasste sich mit der Förderung von Gesundheitskompetenzen durch Pflegeberufe und kommt zum Schluss: „Pflegefachpersonen haben eine zentrale Rolle in der Vermittlung von Gesundheitskompetenz, aktuell wird diese Rolle aufgrund der Rahmenbedingungen kaum wahrgenommen.“ Die Pflegewissenschaftlerin der Universität Trier forderte neben strukturierten Qualifikationsmöglichkeiten auch die Schaffung organisationaler Rahmenbedingungen.

Gesundheits- und Pflegeminister Holetschek benannte in der Podiumsdiskussion die fehlenden Fachkräfte im System als Kernproblem. „Das Gesundheitssystem wird vorankommen, wenn wir die Pflege stärken. Neben verbesserten Rahmenbedingungen – wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, besseren Verdienstmöglichkeiten, attraktiven Karrieremöglichkeiten durch die Akademisierung oder verlässlichen Dienstplänen – ist dafür auch die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten im Rahmen von Konzepten wie Community Health Nursing wichtig“, so der bayerische Pflegeminister.

Die BLPR-Vorsitzende wies noch einmal eindringlich auf den Stellenwert der Professionalisierungsentwicklungen hin und betonte: „Für Systemveränderungen braucht es einen breiten gesellschaftlichen Konsens und am Ende muss auch die Politik mitgehen“. Mit Blick auf die anstehenden bayerischen Landtagswahlen appellierte sie an den eigenen Berufsstand, die demokratischen Rechte wahrzunehmen: „Stehen Sie für Ihre Profession ein!“

Wer ist der BLPR?
Der Bayerische Landespflegerat (BLPR) ist ein Zusammenschluss von eigenständigen Berufsverbänden, Schwesternschaften und Berufs- und Pflegeorganisationen zur Förderung der Pflegeberufe. Der BLPR bündelt die berufspolitischen Aktivitäten seiner 14 Mitgliedsverbände, vertritt deren Positionen und Anliegen in der Öffentlichkeit, ist Ansprechpartner für alle landesspezifischen Belange des Profession Pflege, stärkt die politische Durchsetzung und fördert die berufliche Selbstverwaltung.
Wie der Deutsche Pflegerat auf der Bundesebene vertritt der BLPR auf der Länderebene die Pflegeberufe. Der BLPR, als Bayerische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Pflegeberufe BAY.ARGE gegründet, besteht seit über 70 Jahren und ist damit der älteste Landespflegerat.

Information und Kontakt
Bayerischer Landespflegerat (BLPR)
Vorsitzende Frau Generaloberin Edith Dürr
Schwesternschaft München vom BRK e.V.
Rotkreuzplatz 8
80634 München
info@bayerischer-landespflegerat.de
www.bayerischer-landespflegerat.de

Mitgliedsverbände:
Berufsverband für Kinderkrankenpflege in Deutschland (BeKD) e.V.
Bundesverband Lehrende Gesundheitsberufe u. Sozialberufe (BLGS) e.V., Landesverband Bayern
Bundesverband Pflegemanagement e.V., LG Bayern
Caritas-Gemeinschaft für Pflege- u. Sozialberufe Bayern e.V.
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, DBfK Südost e.V.
Deutsche Fachgesellschaft Psychiatrischer Pflege e.V. (DFPP)
Deutscher Pflegeverband e.V.
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V., Landesvertretung Bayern, Sektion Pflege
Evangelische Pflegegemeinschaften
Katholische Pflegegemeinschaften und Pflegeorden
Katholischer Pflegeverband (KPV) e.V.
Verband der Pflegedienstleitungen Psychiatrischer Kliniken Bayern (VdPPsych) e.V.
Verband der Schwesternschaften vom Roten Kreuz in Bayern e.V.
Verband der PflegedirektorInnen der Universitätsklinika (VPU) e.V.