BLPR-Jahresakademie: 75 Jahre Berufspolitik für die Pflegeprofession

München, 20. September 2023 – Bei der Jahresakademie des Bayerischen Landespflegerats (BLPR) unter dem Motto „Wahl – Leistung – Profession Pflege“ hat der Zusammenschluss von 14 Berufsverbänden nicht nur sein 75-jähriges Bestehen begangen, sondern zudem Handlungsautonomie für Pflegefachpersonen gefordert. Die Podiumsdiskussion mit Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek thematisierte erforderliche Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Gesundheitspolitik.

Generaloberin Edith Dürr, Vorsitzende des BLPR und der Schwesternschaft München vom BRK e.V., begrüßte am Montag zahlreiche Teilnehmende im Bayerischen Landtag: „Man könnte meinen, wir befänden uns in einer permanenten Wiederholungsschleife, denn die Themen und Herausforderungen im Pflegeberuf sind nahezu unverändert“, so Dürr in ihrer Begrüßung. „Notzustände in Krankenhäusern und Schwesternmangel, wie es bei der Gründung des BLPR im Jahr 1948 hieß – die wiederkehrenden Krisen aufgrund personeller, struktureller oder finanzieller Defizite sind eine augenfällige Konstante“, betont sie angesichts eines immer größer werdenden Spannungsfelds zwischen Machbarkeit, ethischer Verantwortung und ökonomischer Realität. „Der Pflegeberuf hat ein Attraktivitätsproblem, mag er auch sinnstiftend und sinnerfüllend sein.“ Für MdL Karl Freller stellt Pflege heute die größte gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. In seinem Grußwort benannte der Vizepräsident des Bayerischen Landtags Pflege nicht nur als systemrelevant, sondern als systemimmanent. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, überbrachte ihre Glückwünsche zum Jubiläum in einer Videobotschaft und betonte die Notwendigkeit einer bayerischen Landespflegekammer zur Durchsetzung der Berufsautonomie.

Konfrontiert mit demografischem und technologischem Wandel, Globalisierung und Klimafolgen und einer politisch gewollten Ambulantisierung entwickelten die Referent:innen Zukunftsvisionen einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung pflegerischer Versorgung. Prof. Dr. Melanie Messer sieht dabei ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Kapazität und befürwortet neben intensiverer multiprofessioneller Zusammenarbeit besonders die Stärkung der universitären Pflegewissenschaft. Pflege ist mit 1,4 Millionen Beschäftigten die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Die Pflegewissenschaftlerin fordert daher die Übernahme zentraler Aufgaben auch in Gesundheitsförderung und Prävention. Die Zukunft der Pflege sieht Prof. Dr. phil. Claudia Winter in den Pflegeschulen, fordert jedoch Entwicklungsmaßnahmen wie Qualitätstableaus, externe Evaluationen und wissenschaftlich begleitete Projekte für die Pflegepraxis. Für Lena Heyelmann ist Empowerment einer der Faktoren, um in der Pflegepraxis die Berufszufriedenheit zu fördern. Die Direktorin Pflege und Erziehung am kbo-Heckerscher-Klinikum setzt darauf, die Selbstbestimmung ihrer Mitarbeitenden durch Freiräume, Wissen und Expertise zu fördern. Prof. Dr. phil. Manfred Hülsken-Giesler hingegen befasst sich mit technologischen Aspekten und stellte sein Begleitprojekt „Robotische System in der Pflege“ vor. Unter dem Eindruck seiner Vorredner:innen resümiert er, die Zukunft der Pflege sei zugleich die Zukunft der Gesellschaft.

Bei der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Aufbruch in eine neue Ära! Welche politischen Rahmenbedingungen brauchen wir für eine zukunftsfähige Gesundheitspolitik?“ definierte Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek den Fachkräftemangel als zentrales Problem. „Wo gewinnen wir Pflegende, wie können wir den Beruf attraktiver machen?“, so der bayerische Minister. Generaloberin Dürr fordert dafür einen Systemwechsel mit mehr Handlungsautonomie und einer selbstständigen Heilkundeausübung. „Um das zu erreichen, brauchen wir eine starke Selbstverwaltung“, mahnt sie. Beim Stellenwert der Praxisanleitung für die Ausbildungsqualität und die anschließende Berufsverweildauer zeigen sich die Diskutanten einig. Silke Weber wünscht sich Perspektiven für die jungen Kolleg:innen und bedauert, dass es in Bayern und Baden-Württemberg keinen Bildungsurlaub für Berufsangehörige gibt. Die Delegierte Junge Pflege des DBfK fordert Unterstützung für berufspolitisches Engagement. Holetschek notierte sich diesen Hinweis und verwies parallel auf verschiedene politische Initiativen wie Akademisierungsförderung, Beschleunigung von Anerkennungsverfahren, Modelle zum Bürokratieabbau und die bayerische Bundesratsinitiative für ein Förderprogramm, mit dem Kommunen und Träger von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bei der Bereitstellung von Wohnraum für Beschäftigte in der Pflege unterstützt werden sollen.

Generaloberin Dürr bedankte sich abschließend bei Alfred Stockinger (Pflegedirektor Universitätsklinikum Regensburg) und bei Dr. Marliese Biederbeck (Vorstand BLPR, Geschäftsführerin DBfK Südost e.V.) für die Moderation und schloss mit einem Appell: „Stellen Sie sich aktiv den Herausforderungen, informieren Sie die Kolleg:innen über unsere Anliegen und nehmen Sie Verantwortung als systemimmanente Pflegeexperten wahr!“ Die BLPR-Vorsitzende kündigte die Veröffentlichung von Wahlprüfsteinen an, u.a. zu Themen wie Personalsituation, Personalbemessungsinstrumente oder Situation der Lehrenden. Die Antworten der bayerischen Parteien zu den drängenden Fragen werden demnächst auf der Webseite des BLPR zu lesen sein.