Stellungnahme zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Am 10. Dezember 2021 hat der Bundestag den Änderungen im Infektionsschutzgesetz zugestimmt und eine befristete einrichtungsbezogenen Impflicht beschlossen. Vor dem Hintergrund des geplanten Inkrafttretens am 15. März 2022 und der sich daraus ergebenen Diskussion gibt der BLPR folgende Stellungnahme ab.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass nach wochenlanger Unklarheit und einer Vielzahl an offenen Fragen Staatsminister Klaus Holetschek (StMGP) am 1. März 2022 ein konkretes Umsetzungs-Konzept vorgelegt hat. Somit stehen den Einrichtungen des Gesundheitswesens jetzt rechtssichere, nachvollziehbare und einheitliche Handlungsanweisungen zur Verfügung.

Die öffentliche und politische Diskussion der vergangenen Monate hat vordringlich zwei Perspektiven deutlich gemacht, auf die wir unseren Fokus richten möchten: Zum einen die, vor allem mediale, Fixierung auf die Berufsgruppe Pflege und zum anderen die Sorge um eine Versorgungssicherstellung von Menschen mit Pflegebedarf.

Die Situation in den pflegerischen Versorgungssettings hat durch die Pandemie eine zusätzliche Verschärfung bezogen auf die Personalfrage erfahren. Der Pflegepersonalmangel hat sich über viele Jahre quasi gefestigt und ist zur offensichtlichsten Schwachstelle unseres Gesundheitssystems geworden.
Die zumeist negative öffentliche Berichterstattung konzentriert sich auf die pflegerische Berufsgruppe und suggeriert so, dass es sich eben doch um eine berufsgruppenbezogene Impfpflicht handelt. Es ist faktisch falsch, dass die Pflegeberufe im Zusammenhang mit einer Impfquote das Problem sind. Laut Umfragen sind im Bereich der Krankenhäuser über 90 % der Pflegekräfte – freiwillig! – geimpft. Für den Bereich der stationären und ambulanten Langzeitpflege wird eine etwas niedrigere Impfquote angenommen. Ungeimpfte Mitarbeitende sind berufsgruppenübergreifend vorhanden und mitnichten auf eine bestimmte Berufsgruppe konzentriert. Dies verdeutlicht das hohe Verantwortungsbewusstsein der professionell Pflegenden zum Schutz vulnerabler Personengruppen im Vergleich zu einer Impfquote von 75% (Stand 03.03.22) in der Gesamtbevölkerung .
Wir vermissen in der medialen Darstellung einen fairen und respektvollen Umgang mit der Berufsgruppe, die in der Pandemie einen überaus großen Anteil der Last für die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems getragen hat und weiterhin trägt.

Wir weisen mit großer Sorge darauf hin, dass die Bereitschaft weiterhin professionelle Pflege zu leisten innerhalb der Berufsgruppe deutlich sinkt. Gleichzeitig sind keine Personalreserven in den Gesundheitsberufen vorhanden. Die noch im System verbliebenen professionell Pflegenden bewegen sich in einem fortdauernden Spannungsfeld zwischen der sich zuspitzenden Personalmangelsituation, schwierigen Arbeitsbedingungen und ihrem dadurch bedrohten beruflichen Selbstverständnis einerseits und den hohen gesellschaftlichen Erwartungen andererseits .

Expert*innen gehen davon aus, dass nach der aktuellen Omikron-Welle weitere Virusvarianten mit noch weitestgehend unklarer Infektiosität folgen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Politik gefordert, eine allgemeine Impfpflicht schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, um die noch bestehende Immunitätslücke in der Bevölkerung zu schließen. Laut ExpertInnenrat der Bundesregierung ist das Erreichen eines postpandemischen Zustands mit dem Erreichen einer hohen Impfquote der Bevölkerung verbunden.

Zentrale Forderungen des BLPR sind demzufolge:

  • Der Schutz vulnerabler Menschen die auf professionelle Pflege angewiesen sind ist zentral und nicht nur eine Frage des Impfstatus der Versorgenden, sondern auch eine Frage des Vorhandenseins von ausreichend und ausreichend qualifiziertem Personal. Wir verweisen mit Sorge auf eine drohende Versorgungskrise.
  • Perspektivisch sind zum jetzigen Zeitpunkt dringend Regelungen des Gesetzgebers auf der Bundesebene zu treffen, damit eine verbindliche und allgemeine Impfpflicht auf den Weg gebracht werden kann. Zum einen gilt es die außerhalb des institutionellen Versorgungssystems lebenden vulnerablen Personengruppe zu schützen und zum anderen muss eine weitere Überlastung der im Gesundheitssystem Tätigen vor dem kommenden Herbst/Winter verhindert werden. Die Bekämpfung der Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keinesfalls die einiger weniger Berufsgruppen. Mitarbeitende im Gesundheitswesen, die auf Grund einer verpflichtenden Impfung ein Berufsverbot erhalten oder einen Berufswechsel vollziehen, sind kaum zu ersetzen.
  • Um weiterhin eine adäquate pflegerische Versorgung gewährleisten zu können, muss der Berufsgruppe Pflege seitens der Politik und Gesellschaft dieser Aufgaben- und Verantwortungsbereich auch selbstverantwortlich zugestanden und übertragen werden. Die gesellschaftliche und politische Anerkennung professioneller Pflege und der Pflegefachpersonen muss über die Covid-19-Pandemie hinauswirken. Nicht einmalige Bonuszahlungen, sondern langfristige finanzielle, soziale, gesellschaftliche und interprofessionelle Anerkennung sind gefordert.

München am 8. März 2022

Stellungnahme zum Download

 

BLPR nimmt Stellung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Bayerischer Landespflegerat begrüßt Holetscheks einrichtungsbezogenes Impf-Konzept, fordert jedoch allgemeine Impfpflicht

München, 8. März 2022 – Vor dem geplanten Inkrafttreten der befristeten einrichtungsgezogenen Impfpflicht begrüßt der Landespflegerat (BLPR) das konkrete, stufenweise Umsetzungs-Konzept von Staatsminister Klaus Holetschek. Der Berufsverband fordert jedoch in seiner Stellungnahme perspektivisch eine verbindliche und allgemeine Impfpflicht, um die Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Generaloberin Edith Dürr, Vorsitzende des Bayerischen Landespflegerats (BLPR), lehnt angesichts der im Dezember 2021 vom Bundestag beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht eine auf Berufsgruppen fokussierte Pflicht ab. Sie begrüßt jedoch ausdrücklich, dass das Bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium jetzt, Anfang März, nachvollziehbare und einheitliche Handlungsanweisungen vorgelegt hat. Mit Sorge sieht sie dennoch die mediale Fixierung auf die Berufsgruppe „Die öffentliche Berichterstattung suggeriert, dass die Pflegeberufe das Problem wären. Im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung haben sich über 90 Prozent der Pflegekräfte in den Kliniken freiwillig impfen lassen. Ein klares Zeichen für das hohe Verantwortungsbewusstsein der professionell Pflegenden zum Schutz vulnerabler Personengruppen.“ In Anbetracht der Immunitätslücke in der Bevölkerung mit einer Impfquote von lediglich 75 Prozent warnt sie davor, den Gesundheitsberufen den Schwarzen Peter zuzuschieben.
„Wir haben, zusätzlich verschärft durch die Pandemie und den wenig wertschätzenden Umgang mit den Pflegeberufen, keine Personalreserven mehr. Die Bereitschaft, unter solchen Bedingungen weiterhin professionelle Pflege zu leisten, sinkt deutlich“, so Generaloberin Dürr. „Die andauernde Personalmangelsituation in Kombination mit einer berufsgruppengezogenen Impfpflicht stellt eine ernste Gefahr für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung dar. Vor dem Hintergrund weiterer, prognostizierter Virusvarianten mit unklarer Infektiosität ist die Bekämpfung der Pandemie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Der BLPR fordert daher von der Politik eine verbindliche und vor allem allgemeine Impfpflicht. „Der Schutz vulnerabler Menschen, die auf professionelle Pflege angewiesen sind, ist nicht nur eine Frage des Impfstatus der Versorgenden, sondern auch eine Frage des Vorhandenseins von ausreichend qualifiziertem Personal“, betont Dürr und fordert ausdrücklich langfristige finanzielle, soziale, gesellschaftliche und interprofessionelle Anerkennung.

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